Das Revolutionsjahr 1989 in Monatsschritten
Illustriert mit Fotos rund um die Friedliche Revolution
Für jeden Tag des Jahres ’89 finden Sie die relevanten Ereignisse, die zum Ende der DDR führten, in unserer ausführlichen Chronik.
Entnommen aus „Das Revolutionsjahr 1989 – Ein Lesebuch mit Jahreschronik“ der Stiftung Friedliche Revolution
Januar
15.1.
Rund 500 Personen nehmen auf dem Leipziger Marktplatz an einer nicht genehmigten Kundgebung für Reformen in der DDR teil. Als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzt, greifen Sicherheitskräfte ein und lösen die Versammlung auf. 53 Demonstranten werden festgenommen. Am Abend findet in der Lukaskirche eine Fürbittandacht für die Verhafteten statt. Zu Andachten und Protestaktionen kommt es auch in mehreren anderen DDR-Städten. In Prag kommt es aus Anlass des 20. Jahrestages der Selbstverbrennung von Jan Pallach zu Massendemonstrationen. Die Polizei geht brutal gegen die Demonstranten vor.
Februar
28.2.
In Halle protestieren 40 Personen mit einem Schweigemarsch gegen die Schüsse an der Berliner Mauer.
März
23.3.
Das Christliche Umweltseminar in Rötha südlich von Leipzig verzeichnet rund 12.000 Unterschriften unter die Initiative „Eine Mark für Espenhain“, mit der die umgehende Modernisierung des benachbarten Braunkohleveredelungswerks Espenhain eingefordert wird.
April
26.4.
In Dresden beginnt das fünftägige Abschlusstreffen der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung mit 150 Vertretern von 19 christlichen Kirchen in der DDR. DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler weist Forderungen nach Einführungen eines zivilen Wehrersatzdienstes zurück. In Stendal werden mehrere Anti-Atomkraft-Aktivisten wegen der Verteilung von Flugblättern festgenommen, darunter Erika Drees, eine Delegierte der Ökumenischen Versammlung. Ihnen droht ein Verfahren wegen »Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit«.
Mai
7.5.
Bei den Kommunalwahlen in der DDR entfallen nach offiziellen Angaben 98,85% der Stimmen auf die Kandidaten der Einheitslisten. Von Oppositionellen werden zum ersten Mal bei der Stimmenauszählung flächendeckend Kontrollen vorgenommen, bei denen sie erhebliche Wahlfälschungen feststellen und diese publik machen. Bei Schließung der Wahllokale versammeln sich 1.500 Demonstranten auf dem Leipziger Markt. Die Polizei schreitet gegen einen Demonstrationszug ein. 120 Personen werden festgenommen.
Juni
10.6.
Mit einer brutalen Polizeiaktion wird in Leipzig ein Straßenmusikfestival beendet. Dabei werden 114 Beteiligte vorübergehend festgenommen. Ein Teilnehmer wird per Strafverfügung ohne Gerichtsurteil nach §214 StGB der DDR zu sechs Wochen Freiheitsentzug verurteilt.
Juli
15.7.
Der Ost-Berliner Schriftsteller Stefan Heym mahnt bei einer Veranstaltung in der überfüllten Dorfkirche von Berlin-Bohnsdorf mehr Demokratie in der DDR an.
August
16.8.
Am Grenzübergang Stolpe/Heiligensee scheitert ein Fluchtversuch mit einem Tanklastwagen.
September
10.9.
In Ost-Berlin wird der Gründungsaufruf der Initiative „Neues Forum“ veröffentlich. Er ist von 30 Bürgerrechtler*innen aus der ganzen DDR unterzeichnet. Ungarn öffnet ohne vorherige Absprache mit der DDR-Führung den im Land anwesenden DDR-Ausreisewilligen die Grenzübergänge nach Westen. Bis Ende September kommen etwa 30.000 Übersiedler auf diesem Weg in die Bundesrepublik.
Oktober
7.10.
Mit großem Aufwand feiert die SED in Ost-Berlin das 40-jährige Bestehen der DDR. Zeitgleich mit dem Festbankett, an dem zahlreiche Staats- und Parteigäste teilnehmen, demonstrieren auf dem Alexanderplatz junge Leute gegen die Wahlfälschung im Mai. Zusammen mit einigen tausend Teilnehmern des Volksfestes ziehen sie anschließend zur Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg und von dort wieder zur Innenstadt, wo der friedliche Protest nach Stunden gewaltsam beendet wird. Viele werden verletzt, zahlreiche festgenommen und misshandelt. Am selben Abend kommt es auch in Arnstadt, Dresden, Erfurt, Halle, Ilmenau, Karl-Marx-Stadt, Magdeburg, Plauen, Potsdam und Suhl zu friedlichen Demonstrationen. Die meisten von ihnen werden brutal aufgelöst, über tausend Menschen festgenommen. In der Leipziger Innenstadt versuchen zwischen 300 und 2.000 Personen den Tag über zu demonstrieren. Die Sicherheitskräfte gehen brutal dagegen vor. Fast 200 Personen werden verhaftet und u.a. in Pferdeställen auf dem Gelände der Agra festgehalten, das als Internierungslager für den „Spannungsfall“ vorgesehen ist. In Schwante bei Berlin gründen 43 Teilnehmer eines Treffens im evangelischen Pfarrhaus die „Sozialdemokratische Partei in der DDR“ (SDP).
November
4.11.
Die Ost-Berliner Innenstadt erlebt die größte nicht-staatliche Demonstration in der DDR-Geschichte mit nahezu einer Million Teilnehmern. Unter den Rednern der Abschlusskundgebung auf dem Alexanderplatz sind die Schriftsteller Christa Wolf, Christoph Hein, Stefan Heym sowie als Vertreter der neuen oppositionellen Vereinigungen Marianne Birthler, Konrad Elmer, Jens Reich und Friedrich Schorlemmer. Auf Vorbehalte stoßen Redner wie Markus Wolf und Günter Schabowski, die mehrfach ausgepfiffen werden. Das Fernsehen überträgt die Veranstaltungen direkt und unangekündigt. In Magdeburg demonstrieren 40.000, in Altenburg 12.000 sowie in Arnstadt und Potsdam mehrere Tausend Menschen. Insgesamt gehen an diesem Tag die Menschen in rund 50 Orten auf die Straße.
Dezember
4.12.
In Erfurt dringen am Vormittag erstmals aufgebrachte Bürger in die Dienststelle des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit ein, um zu verhindern, dass Stasi-Akten als Beweismaterial vernichtet werden. Die Nachricht über die Besetzung der Erfurter Behörde, die inzwischen den Namen „Amt für Nationale Sicherheit“ trägt, breitet sich in der gesamten DDR wie ein Lauffeuer aus und führt am Abend zu weiteren Besetzungen. In einem „Appell der Vernunft“ fordern prominente Künstler, Wissenschaftler, Kirchenleute und SED-Funktionäre von der DDR-Regierung, ab sofort sogenannte „Bürgerkomitees“ an der Aufklärung von Korruption und Machtmissbrauch zu beteiligen. Die DDR-CDU verlässt wie die LDPD den Demokratischen Block und fordert Egon Krenz dazu auf, vom Vorsitz im Staatsrat und im Nationalen Verteidigungsrat zurückzutreten. Die SDP schlägt den 6. Mai 1990 als Termin für freie Wahlen vor. An den abendlichen Demonstrationen in rund 60 Orten beteiligen sich in Dresden, Karl-Marx-Stadt und Magdeburg jeweils rund 60.000 Menschen. In Leipzig sind über 150.000 Demonstranten auf der Straße.
„Das Revolutionsjahr 1989 – Ein Lesebuch mit Jahreschronik„
der Stiftung Friedliche Revolution; mit 57 Beiträgen namhafter Zeitzeugen und Journalisten; 208 Seiten; EUR 19,89 inkl. Versandkosten
ISBN-Nummer: 978-3-00-046724-0